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Fachartikel: Personalentwicklung zwischen IQ und SQ

Autor: Dr. Wafi Al-Baghdadi
aktualisiert am 19. September 2023

Erschienen in: Genossenschaftsforum und Bank Information, Heft 9/00

Der Mensch verfügt über viel Wissen: Allgemein- und Spezial- bzw. Fachwissen, das ihm ab seiner Geburt zufließt. Die Teilnahme an Prozessen der Wissensaneignung erfolgt passiv oder, wenn wir bewußt und zielorientiert das spezielle Wissen suchen, aktiv. Im Verlauf dieses Prozesses entsteht, was wir Bildung nennen. In diesem Zusammenhang werden relativ moderne Begriffe benutzt: Fachliche, methodische und soziale Kompetenz, vielleicht besser Souveränität.

In einer Bank bzw. einem Unternehmen üben zuständige Stellen unterstützende Funktionen aus, die die Bildung der Mitarbeiter, einschl. Führungskräften, fördern bzw. pflegen. Diese Funktionen, auch Personalentwicklung (PE) genannt, übernehmen Fachabteilungen oder Führungskräfte unterschiedlicher Ebenen.

Die PE zielt bei ihrer Arbeit auf die (zielorientierte) Erhöhung der Mitarbeitereffektivität ab, wobei es nahe liegt, daß die PE die fachliche und methodische Qualifikation der Mitarbeiter steigern will.

Die Rolle der PE erlebt jedoch seit den 90er Jahren einen interessanten Wandel. Der Grundsatz, eine gute Fachkraft ist auch eine gute Führungskraft, wackelte und die Notwendigkeit für eine modifizierte Arbeit der PE wurde offensichtlich. Neben Fragen der Bildung im fachlichen und teilweise auch im methodischen Bereich werden Themen zur Verbesserung der Zusammenarbeit und zur Effektivierung der Führung in die Programme der PE aufgenommen; Standardseminare und Veranstaltungen zu Soft-Themen wie Konfliktbewältigung, Teamarbeit, Kommunikation, partnerschaftliches Führen etc. werden besucht. Mitarbeiter/ Vorgesetzte fragen entweder gezielt nach entsprechenden Veranstaltungen oder es wird das Gießkannenprinzip angewandt. Gezielte Förderprogramme sind die Ausnahme. Dennoch erweitern Führungskräfte und Mitarbeiter in solchen Veranstaltungen mehr oder weniger ihre Wissensbasis.

Korrelation IQ und EQ

Insbesondere seit der Veröffentlichung von Daniel Golemans Forschungen in seinem Buch "Emotionale Intelligenz", haben sich zahlreiche Autoren im In- und Ausland in Büchern, Aufsätzen, Fachvorträgen etc. intensiv mit der Bedeutung der emotionale Intelligenz (EQ) für das private und berufliche Leben und mit der Korrelation zwischen EQ und IQ beschäftigt.

Hierbei ist die Frage hervorzuheben, ob ausschließlich Intelligenz und fachliches Wissen, gute Examensnoten und das Beherrschen von Themenkomplexen Führungskräfte oder Mitarbeiter zu beruflichen Erfolgen bringen, oder emotionale Intelligenz -und hier insbesondere Faktoren der sozialen Kompetenz- vorzugsweise eine Rolle spielen? Tragen IQ und EQ in gleichem oder in unterschiedlichem Maße zum Lebenserfolg bei? Befähigt z.B. das Wissen über Projektmanagement und die fachliche Ausbildung zum Projektleiter einen Mitarbeiter zu einem erfolgreichen Projektmanager, ohne seine soziale Kompetenz in Anspruch zu nehmen? In seinem vielgelesenen und -zitierten Buch Emotionale Intelligenz definiert Goleman EQ wie folgt:

  • Eigene Stärken, Schwächen und Gefühle realistisch einschätzen
  • Kontrolle der eigenen Gefühle und ihrer Anpassung an sich verändernde Situationen
  • Fähigkeit, Gefühle anderer zu verstehen
  • Konfliktfähigkeit

Bei seinen Forschungen kommt Goleman zu dem Ergebnis, daß analytische Fähigkeiten nur 33% des beruflichen Erfolges einer Führungskraft erklären können. Überwiegend sei der Erfolg auf emotionale Intelligenz zurückzuführen - bei Führungskräften sogar zu 85%. Auch Cooper und Sawaf kommen in ihrem Buch "EQ für Manager" zu ähnlichen Ergebnissen. Professor Robert C. Solomon (University of Texas) betont, daß ohne Führung durch Gefühle das logische Denken weder Grundsätze noch Macht besitzt.

Solche Erkenntnisse und Feststellungen geben Anlaß zu intensiverem Nachdenken, ob die derzeitige PE-Arbeit diesen Erfordernissen gerecht wird und ggf. wie sie modifiziert werden soll/muß.

Schwerpunkte der PE-Arbeit

Die sich ständig verändernden Marktbedingungen, Globalisierung, verstärkte Qualitäts- und Kundenorientierung, Internet und Multimedia stellen auch die Volksund Raiffeisenbanken vor neue Herausforderungen. Ein wichtiges Standbein für die Gewährleistung und Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit stellen dabei gut ausgebildete Führungskräfte und Mitarbeiter dar; ihre Ausbildung, die von der PE gelenkt wird, erstreckt sich dabei auf mehrere Gebiete.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln führt über Trainingsbereiche in 3-jährigem Turnus Befragungen durch. Die neuesten veröffentlichten Ergebnisse für 1998, an der 1048 Unternehmen beteiligt waren, ergaben vier Trainingsschwerpunkte:

  • 1/3 des gesamten Weiterbildungsvolumens wird für Auffrischungsmaßnahmen beansprucht
  • Mit gut 30% folgen die kaufmännischen Themen.
  • Lehrveranstaltung für DV und Computer kommen auf einen Anteil von etwa 24%
  • Erst auf dem vierten Rang folgen "fachübergreifende" Themen wie Persönlichkeitsentwicklung, Verhaltenstraining etc. (In der Veröffentlichung wird vermutet, dass bestimmte fachübergreifende Themen in die fachliche Weiterbildung integriert werden, was u.U. die Genauigkeit der vierten Gruppe in Frage stellt.)

Im Jahre 1998 haben die befragten Unternehmen insgesamt ca. 34,3 Mrd. DM für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter ausgegeben (Vgl. Wirtschaft und Weiterbildung, Heft März 2000, S. 42f.). Solche Zahlen verdeutlichen die wachsende und bedeutende Rolle der PE in einem Unternehmen.

Die Verfolgung organisatorischer Ansätze in der Prozeß-Orientierung und Prozeß-Umgestaltung bzw. –Optimierung, die Verflachung von Hierarchien, der Personalabbau, der steigende Leistungsdruck, etc. erfordern den verstärkten Einsatz des logischen und analytischen Denkens. Sie verfolgen zwar betriebswirtschaftliche Ziele wie Wachstums- und Gewinnorientierung, hohe Qualität von Service, Ergebnissen und Leistungen; sind jedoch häufig mit emotionalen Reaktionen wie Ängsten, Unsicherheit, Aggressionen, Mobbing, Ärger, Wut, psychosomatische Krankheiten, etc. verbunden.

Ferner erfordert Kundenorientierung im Rahmen eines ganzheitlichen Konzeptes für Qualitäts-Management eine strategische Ausrichtung des Denkens im Umgang mit dem Mitarbeiter. Auch hier sind Bereiche wie Mitarbeiter-Orientierung, Verbesserung der Zusammenarbeit, Vertrauen, Konfliktfähigkeit, Fairneß, Partnerschaft, etc., die zunehmend im Zentrum des emotionalen Sektors stehen, zu schulen und zu trainieren. Die Förderung und Unterstützung des Einsatzes multipler Kompetenzen der Mitarbeiter wird dringlicher.

In ihrer Funktion ist die PE somit nicht nur Beschaffer von Wissen über das Angebot von Seminaren, Fachveranstaltungen sowie Lehrgängen oder Organisator von Veranstaltungen, sondern auch Initiator/Begleiter/Betreuer/Supporter von Veränderungsprozessen im fachlichen und emotionalen Bereich. Die Steigerung der sozialen Kompetenz und ihr optimaler Einsatz erhalten hierbei die zentrale Bedeutung in der Betreuungsarbeit.

Die Sozialkompetenz und Souveränität ist unentbehrlich, fachliche und intellektuelle Fähigkeiten zu aktivieren und zu verbessern: Ein intelligenter (IQ) und fachlich außerordentlich erfahrener, jedoch strenger und zu autoritärem Führungsstil neigender Vorgesetzter fördert in der Abteilung in der Regel ein schlechtes Betriebsklima. Mitarbeiter entwickeln Ängste, ihre Kreativität einzusetzen bzw. Lösungsalternativen anzuregen; eine kopfgesteuerte Gruppe. In Besprechungen wird wenig diskutiert -warum auch? - Gruppen- und Abteilungsgespräche polarisieren sich beim Vorgesetzten.

Anders reagieren die Mitarbeiter auf eine partnerschaftlich–kooperativ arbeitende Führungskraft, sie sind offen(er), angstfrei und tragen zur Steigerung der Effektivität bei. IQ und SQ werden integriert eingesetzt.

IQ-unterstützende Maßnahmen

Komplexität und Interdependenz sowie Dynamik der Aufgaben einer Bank erfordern besondere PE-Maßnahmen. Die Steigerung der Mitarbeitereffektivität will die PE an erster Stelle durch die Steigerung des Fachwissens von Führungskräften und Mitarbeitern erreichen. Dabei stehen ihr u.a. moderne Technologien und Multimedia zur Verfügung. Technologiebasiertes Lernen (Computer Based Training) bzw. Sonderlernmedien (On-Line-Learning, Internet…) können sehr wirkungsvoll genutzt werden: Eine auf die Förderung des IQ abgezielte Schulung der Fach- und Methodenkompetenz bzw. -souveränität erwirkt die Unterstützung und Erweiterung des vorhandenen Wissens und der Bildung, was für die Bank gelenkt und genutzt werden kann.

Gezieltes Nutzen vorhandener IQ's im Unternehmen kann durch die effiziente Bestandsaufnahme der Mitarbeiter-Skills ermittelt und durch entsprechende Lernprozesse modifiziert werden. Zunächst sind jedoch die Anforderungen zu definieren, die für die Erfüllung bestimmter Funktionen oder Prozesse (bzw. Prozeßteilen) notwendig sind. Aus den nunmehr für die einzelnen Mitarbeiter zu ermittelnden Erfüllungsgraden ergeben sich Differenzen zwischen Soll und Ist, die durch fachlich-methodische Lernveranstaltungen zu kompensieren sind.

Vereinfachtes Beispiel für die Erstellung eines solchen Skill-Profiles für einen neuen Mitarbeiter in der Kreditabteilung einer Bank: Acht verschiedene Anforderungsprofile werden z.B. definiert und mit einer der Geraden wie folgt symbolisiert:

1 = Fachwissen über gesetzliche Vorschriften
2 = Fachwissen über Abläufe bezüglich Kreditvergabe in der Bank
3 = Wissen über tangierende Geschäftsprozesse
4 = Kenntnisse über die Vorschriften bezüglich der Kreditvergabe in der Bank
5 = Kenntnisse über die Prozedur/ das Verfahren
6 = Kenntnisse über das EDV-Programm und seine Anwendung
7 = Kenntnisse über staatliche Förderprogramme
8 = Kenntnisse über Konkurrenzangebote etc..

Vom Zentrum aus (= Null) nach außen werden auf den jeweiligen Geraden zehn Punkte verteilt. Die Spitze bzw. das Ende der Geraden bildet den höchst erreichbaren Wert oder das Optimum.

Die PE definiert das angestrebte Optimum (=10 Punkte) und ermittelt für denjenigen Mitarbeiter den aktuellen Status, der auf die Skala (Vgl. Zeichnung) eingetragen wird. Die Differenz zwischen Status und Optimum bildet dann die Grundlage für die fachlich-spezifischen Maßnahmen der PE. Der IQ wird geschult und gefördert.

Ist eine Effektivitätssteigerung des Mitarbeiters zu erwarten, werden entsprechende Wissens-, Fach- und Erfahrungslücken durch PE-Maßnahmen gefüllt. Eine Verfügbarkeit des vermittelten Wissens wird durch die Bildungsmaßnahmen ermöglicht; seine Anwendung bleibt allerdings dem geschulten Mitarbeiter vorbehalten.

EQ und SQ

Goleman stellt in seinem oben erwähnten Buch folgende vier Fähigkeiten zusammen, die Elemente der interpersonalen Intelligenz, d.h. SQ bzw. soziale Kompetenz, widerspiegeln:

  1. Gruppen organisieren: Es handelt sich hier um die entscheidende Fähigkeit der Führungskraft, Anstrengungen der Mitarbeiter zu initiieren und zu koordinieren
  2. Lösungen aushandeln: Die Fähigkeit der Mediation bzw. des Vermittelns wird hier unterstrichen, verbunden mit der Stärke, Konflikte präventiv zu verhindern bzw. kompetent zu lösen. Meines Erachtens ist hierbei eindeutig der Gewinner-Gewinner-Ansatz zugrunde gelegt.
  3. Persönliche Verbindung: Die Fähigkeit, Empathie und Herstellung von Beziehungen dient hierbei als Grundlage. Werden Gefühle der Partner erkannt, kann angemessen reagiert und ein Aufbau von Beziehungen begünstigt bzw. erleichtert werden.
  4. Soziale Analyse: Die Fähigkeit, Gefühle, Motive und Anliegen der Anderen zu entdecken und zu verstehen. Vertrautheit und ein Gefühl des Verstandenseins sind die Folge.

Für Goleman bilden diese Fähigkeiten, zusammengenommen, die Grundlage höchster sozialer Kompetenz; sie sind die notwendigen Ingredienzien von Charme, gesellschaftlichem Erfolg, ja sogar von Charisma. Er betont ferner, daß, wer soziale Intelligenz (SQ) besitzt, gut führen, organisieren, mit Konflikten fertig werden, leicht Verbindungen zu seinem Umfeld herstellen und dessen Reaktionen
und Gefühle effizient erfassen kann.

Ich bin der Überzeugung, daß Gruppen bzw. Teams bei gleichbleibenden Voraussetzungen, d.h. weder Erhöhung der Fach- noch der Methodensouveränität durch zusätzliche Schulungen, nach einer Fortbildung und Sensibilisierung hinsichtlich Kooperation oder Konfliktbewältigung und einer besseren Gestaltung des Miteinanders effektiver werden. Herz und Verstand, Stärke und Mitgefühl, Mut, Intuition, Offenheit, Ehrlichkeit, Loyalität, Umgang mit Widerständen werden trainiert, das Miteinander und Untereinander wird erleichtert; die persönliche wie auch die Gesamtleistung steigt. Synergieeffekte werden erreicht.

EQ - eine integrierte PE-Maßnahme

EQ bedeutet insbesondere, Fähigkeiten eigener und fremder Gefühle zu erkennen und zu verstehen und in geeigneter Form zu reagieren. Wird EQ trainiert, können Führungskräfte und Mitarbeiter, die ihre Gefühle erkennen, akzeptieren und in der jeweiligen Situation konstruktiv lenken und einsetzen, ihre fachliche (intellektuelle) Leistung erhöhen.

Beobachtete und festgestellte Defizite und die daraus resultierende Notwendigkeit eines verstärkten Trainings der EQ liegen auch im Gesellschafts- und Schul- bzw. Ausbildungssystem begründet: Schulen und Universitäten produzieren Einzelkämpfer statt Teamgeist, es fehlt Unterricht über Bestandteile der Sozialkompetenz bzw. sozialen Souveränität, wie z.B. Empathie, Konfliktfähigkeit, Umgang mit Aggressionen, Selbstwahrnehmung und Fremdbild, Gestaltung von Beziehungen oder was Gefühle sind und was hinter ihnen (Verletzung, etc.) steckt.

Ein effizientes EQ- bzw. SQ-Training kann im Sinne von Strategie des Erfolges folgende drei Formen haben:

  1. Allgemeine Seminare und Trainingsworkshops, in denen Grundlagen, Vorgehens- und generelle Verhaltensweisen vermittelt und teilweise auch trainiert werden. Beispiele hierfür sind angebotene Seminare zu unterschiedlich benötigten Soft-Themen der breiten Palette über Führung und Kommunikation; zählen auch Seminare zum Aufbau und zur Entwicklung der emotionalenIntelligenz, in denen Selbstwahrnehmung, soziales Bewußtsein, Selbststeuerung, Umgang mit Gefühlen und soziale Kompetenzen vermittelt und trainiert werden.
  2. Erlebnis-Seminare bzw. -Workshops mit speziellem und gezieltem Gruppentraining, in denen emotional besetzte Themen intensiv trainiert werden. Beispiele hierfür sind Out Door Training, Konflikt- und Konfrontationsmanagement, etc. Sinn dieser Seminare ist es, über bestimmte, während des Seminars behandelte, echte oder simulierte Fälle den Teilnehmer für notwendige Erlebnisse zu sensibilisieren und die daraus resultierenden Erkenntnisse (emotional) zu registrieren.
    Emotionale Erinnerungen und Erinnerung an Emotionen stehen im Mittelpunkt von Erlebnisseminaren, denn Erlebnisse beeinflussen Erinnerungen; sie erzeugen „Anker“. Diese Anker werden unter bestimmten Umständen (re-)aktiviert und bringen das neue Ereignis damit in Verbindung. Psychologische emotionale Lernprozesse entstehen. Programme zur PE, die auf Erlebnissen und selbstgemachten Erfahrungen beruhen, beeinflussen die emotionalen Prozesse der Teilnehmer und haben eine beträchtliche Chance, in die Praxis umgesetzt zu werden.
  3. Coaching: In Verbindung mit persönlicher Beratung bzw. persönlichem Training erzielt die PE beim Coachee in der Regel eine große Chance von Verhaltenskorrekturen, da es individuell und maßgeschneidert ist. Diese Form des Trainings verzeichnet in den letzten Jahren einen beachtlichen Erfolg, der darin begründet liegt, daß die Berater beim Coaching keine psychotherapeutischen Gespräche und Behandlungen (durch-)führen, was wiederum Blockaden bei den Klienten hervorrufen könnte.
    Coaching ist lösungsorientiert und relativ von kurzer Dauer im Vergleich zu vielen Therapien. Persönliche Beratung und Unterstützung auf dem Wege des Erfolges stehen im Vordergrund. Bei einer Befragung des Universitätsseminars der Wirtschaft USW unter leitenden Personen in Deutschland haben mehr als 70%der befragten Experten (aus Unternehmen mit mind. 300 Mio. DM Umsatz) eine wachsende Nachfrage nach individuellem Coaching für Führungskräfte bekundet.

PE-Rolle bei Veränderungsprozessen

Veränderungsprozesse werden immer von emotionalen Reaktionen der Mitarbeiter begleitet: Es gibt neben Begeisterung, Engagement, Freude und Identifikationsgefühlen auch Ängste, Unsicherheiten, Wut, Ärger, Konflikte, Widerstände und Ablehnung. Gerade bei Reorganisation innerhalb der Bank oder bei Fusionen sind alle diese emotionalen Bestandteile zu beobachten - je nachdem ob sich der Mitarbeiter bei bzw. nach der Fusion als Gewinner oder Verlierer sieht bzw. fühlt. Geht man nicht auf die (negativen) emotionalen Reaktionen der Mitarbeiter bei Veränderungsprozesen ein, entstehen viele Probleme, Hindernisse und Konflikte, die den Prozeß erschweren oder scheitern lassen.

In diesem Sinne sollen die PE-Maßnahmen vor und während der Fusionsprozesse mit dem Ziel gesteuert werden, aus zwei Unternehmenskulturen eine einheitliche Unternehmenskultur zu entwickeln - eine Arbeit, die mit Glaubwürdigkeit und Authentizität den SQ-Bereich der Mitarbeiter erfaßt. Die PE-Arbeit muß bei Fusionsprozessen daher rechtzeitig erfolgen und die sachlich-logischen sowie die emotionalen Gesichtspunkte berücksichtigen. Geeignete Mittel sind neben Aufklärungskampagnen unterschiedlicher Formen, Info-Märkte und andere Info- Medien sowie gemeinsame Workshops zu Themen der Zusammenarbeit und effizienter Gestaltung von Kommunikation. Für den Erfolg ist es unabdingbar, die Mitarbeiter weitestgehend in den Prozeß einzubeziehen sind und auf ihre (berechtigten) emotionalen Reaktionen ernsthaft einzugehen. Hier gilt für mich insbesondere der Ansatz, Betroffene nicht nur zu Beteiligten, sondern sie mit geeigneten, auf die SQ gerichteten PE-Maßnahmen zu Verbündeten zu machen.

In vielen Workshops und Seminaren erlebe ich Volks- und Raiffeisenbanken, die sich grundsätzlich zum ständigen Lernen bekennen; denn wer rastet, der rostet und wer aufhört besser zu werden, hört auf, gut zu sein. Wird dieser Gedanke der lernenden Organisation Rechnung getragen, so gilt es sich gerade auf emotionaler Ebene dem "blinden Fleck" vieler Führungskräfte und Mitarbeiter zu widmen.

Um Verhaltensänderungen im diesem Sinne zu erzielen, ist ein situationsbedingtes, konstruktives emotionales Reagieren zu schulen und zu trainieren. Mir ist bewußt, daß die Arbeit der PE hierbei mit erheblichen Widerständen, Hindernissen und Schwierigkeiten verbunden ist; denn angestrebte Reduzierung des blinden Flecks bei Mitarbeitern und Vorgesetzten setzt ebenfalls einen emotionalen Faktor, die Offenheit, voraus, um Gründe und innere Überzeugung für individuelle Veränderungsnotwendigkeit(en) wahrzunehmen und entsprechende persönliche Veränderungsprozesse einzuleiten. Das hierfür zuständige limbische System in Gehirn erlaubt es nämlich nur schwer, Veränderungen zu tolerieren und zu akzeptieren.

Fazit

In den Unternehmen treffen wir auf sozio-technische Systeme; Mitarbeiter aller Ebenen unterstützen sich gegenseitig, blockieren sich oder verhalten sich neutral Problemen und Konflikten gegenüber. Eine Bank kann aber auch intern ein
Netzwerk von Beratern und Supportern sein. Voraussetzung: Einsatz ihrer zielorientiert geschulten SQ.

Liegen diese Überlegungen zugrunde, richten sich die Aufgaben der PE künftig mehr und mehr auf emotionale Bedarfsfaktoren der Mitarbeiter: Partnerschaftliches Führungsverhalten, Gewinner-Gewinner-Orientierung, Teamgeist und Integration der Einzelkämpfer. Ehrgeiz, Aufstieg und Karriere vs. Werte für Privatleben bzw. Familie werden offener einbezogen.

Seminare werden nicht nach dem Gießkannenprinzip oder als Alibi-Veranstaltung durchgeführt, die als Rechtfertigung des Vorgesetzten vor dem Mitarbeiter (Du hast doch ein Seminar über XYZ bekommen/besucht) oder als Rechtfertigung für die Existenz der PE-Abteilung dienen.

Die PE einer Bank ist aufgefordert, basierend auf ganzheitlichem Denken, systemische Konzepte zu entwickeln und zu verfolgen, die auf die Verbesserung der gesamten Prozesse in der Bank und der Durchführungen abzielen. Insellösungen und Alibiseminare oder Seminare, die nach dem Gießkannenprinzip vergeben werden bzw. zu Incentives-Programmen zählen, sind zu überdenken. Diese Prozesse erfordern zugleich das Manifestieren angestrebter und neu zu lebender Werte, Überzeugungen und Glaubenssysteme. Denn es gilt, die SQ neben der IQ zu fördern und über geeignete Trainingsmaßnahmen partnerschaftliche Verhaltensmuster und einen geschulten Umgang mit natürlichen Emotionen zu entwickeln.

Im Zentrum steht hierbei das Training von Feedbackprozessen für Individuen und Gruppen und das Projizieren entsprechend erlebter Erfahrung aus den Workshops/Seminaren in die Praxis. Über individuelles Coaching und/oder Gruppentraining erfahren insbesondere der partnerschaftliche Umgang mit Konfliktsituationen und die Bildung von Vertrauen als Basis für Verbesserung der Zusammenarbeit in der künftigen PE-Arbeit einen beachtlichen Schwerpunkt.

Ein EQ-Seminar wird in seiner Wirkung größtenteils verpuffen, wenn die Unternehmenskultur es nicht mitträgt. PE-Maßnahmen zu EQ müssen von Führungskräften aller Ebenen vorgelebt werden!

Weiterführende Literatur:

Cooper, Robert K. und Sawaf, Ayman: Emotionale Intelligenz für Manager, Heyne 1998
Goleman, Daniel: EQ2 - Der Erfolgsquotient, Hanser 1999
Goleman, Daniel: Emotionale Intelligenz, Hanser 1996
Häusel, Hans-Georg: Das Reptilienhirn lenkt unser Handeln, in Harvard Business manager Nr. 2/2000 S. 9-18
Ledoux, Joseph: Das Netz der Gefühle, Hanser 1998
Märtin, Doris und Boeck, Karin: EQ - Gefühle auf dem Vormarsch, Heyne 1996

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Autor: Dr. Wafi Al-Baghdadi
PCC™-zertifizierter Business-Coach, ihr Experte für die Themen Resilienz, Zeit- und Selbstmanagement
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